Daten der Verdauung

- Rohfaserbedarf : etwa 15 %

- Die mikrobielle Aufschließung der Cellulose findet im Blinddarm und Grimmdarm statt

- Durch die Dauersekretion von Gallenflüssigkeit findet ein unvollständiger Gallensäurekreislauf statt

- Im gesamten Dünndarm, besonders aber im Leerdarm (Ileum) findet eine Dauersekretion von Flüssigkeit mit hohem Hydrogencarbonatanteil statt

- Hoher Anteil des Körperwassers im Verdauungstrakt (10 - 20 %)

- Starke Harnstoffsekretion : enterohenpatischer NH3-Kreislauf, Harnstoffspaltung als Stickstoffquelle für Darmbakterien Celluloseaufschließung (45 - 77 %) im Blinddarm

- Energiequellen für Auf-, Um- und Abbauprozesse : Intermediärstoffwechsel : Acetat, Propion- und Buttersäure, Glucose

- Zökotrophie (Kotfressen) : Vitaminsynthese von Vitaminen des Vitamin-B-Komplexes, Vitamin B12, Vitamin K im Dickdarm. Die Wiederaufnahme des Blinddarmkotes dient der Ausnutzung von Eiweißstoffen, Spurenelementen und Vitaminen.

- Die Darmflora setzt sich zusammen aus :

  - Anaerober : 18 isolierte Stämme, davon 11 pathogene. Sie bleiben ohne Hinzukommen resistenz- mindernder Einwirkungen zahlenmäßig beschränkt.
  - Grampositive, nicht sporenbildende und sporenbildende Bakterien :
    - Nicht sporenbildende Bakterien fungieren als kohlenhydratspaltende Keime, sind stark säurebildend; vorwiegend Milchsäurebakterien und Bacillus subtilis
    - Grampositive Sporenbildner fungieren als Eiweißzersetzer
    - Escherichia coli ist Darmpassant und nicht Darmsymbiont, wahrscheinlich durch das saure Milieu im Dickdarm bedingt
    - Der pH-Wert im Dickdarm beträgt 4,5 - 6,5
 

Die Besonderheit der Verdauung


Durch die Aktivität der durch Bakterien (Ureasebildner) gebildeten Enzyme erfolgt die Harnstoffspaltung nicht im Magen, sondern im Blinddarm. Hier werden 45 - 77 % des körpereigenen Harnstoffes in Ammoniak und Kohlendioxid gespalten.
Der so gewonnene Ammoniak wiederum wird von den Darmbakterien des Dickdarms als Stickstoffquelle zum Aufbau körpereigener Aminosäuren genutzt.
Im Blinddarm vollzieht sich, unter Mitwirkung von Mikroorganismen, der Hauptverdauungsprozess. Von lebenswichtiger Bedeutung neben der Celluloseaufschließung sind für das Meerschweinchen vor allem die mikrobielle Vitaminsynthese und die Bildung des Vitaminkotes, auch Zökotrophe genannt. Harder bezeichnete 1949 den Blinddarm als "große Gärkammer, in der Kleinstlebewesen eine rege Aktivität entfalten". Eine physiologische Keimflora ist hierfür natürlich Voraussetzung, sie ist abhängig davon, ob das Meerschweinchen eine ausgeglichene Ernährung erhält. Besonders wichtig ist hierbei ein Rohfasergehalt von mindestens 15 %.
Das dauernd einströmende Dünndarmsekret unterstützt mit seiner alkalischen Wirkung die aktive Tätigkeit der Mikroorganismen. Dadurch werden die noch vorhandenen Kohlenhydrate abgebaut und die Cellulose zersetzt. Dabei bilden sich organische Säuren (Milch-, Essig-, Butter- und verschiedene flüchtige Fettsäuren), die von der Blinddarmwand resorbiert und im Energiestoffwechsel verwertet werden. Die weiteren enzymattischen Abbauprozesse zur Aufschließung der schwer verdaulichen cellulosehaltigen Nahrung vollziehen sich unter Mitwirkung von Bakterien. Der Celluloseabbau wird im Anfangsabschnitt des Grimmdarms fortgesetzt.
Im Dickdarm werden mit Hilfe von Bakterien die Eiweiße vergärt (Eiweißfäulnis) und resorptionsfähig gemacht, die dem Abbau durch Enzyme in den vorderen Darmabschnitten entgangen sind. Dadurch erhält der Nahrungsbrei seinen typischen Fäkaliengeruch.
Im Grimmdarm und im Enddarm geht im wesentlichen die Flüssigkeitsresorption vonstatten.
Die Eindickung des Nahrungsbreis findet durch die zunehmende Resorption von Wasser und noch vorhandenen Nährstoffen in den Dickdarmabschnitten statt, im Endabschnitt findet die bereits vorgebildeten Kotballen. Form, Wassergehalt, Farbe und Geruch des Kotes richten sich nach der Art des Futters und der Zusammensetzung der vorhandenen Darmbakterien. Die physikalische Keimflora der Meerschweinchen nimmt in Bezug auf ihre Zusammensetzung eine Sonderstelle unter den Säugetieren ein. Ihre grampositive Darmflora besteht hauptsächlich aus sporenlosen Stäbchen, die man den Milchsäurebakterien zuordnet (Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium bifidum). Sie nehmen aktiv am Verdauungsprozess teil, indem sie die Säure bilden und die Kohlehydrate spalten. Aber auch grampositive Bakterien (Bacillus subtilis), die Sporen bilden, werden im Darmkanal gefunden, diese wirken als Eiweißzersetzer. Nur durch das Zusammenspiel dieser beiden Keimgruppen ist die Aufrechterhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichtes möglich, dadurch wird auch die Darmbesiedlung und Vermehrung der gramnegativen koliformen Keime verhindert. Diese gramnegativen Keime gehören nicht zur physiologischen Keimflora. Bei gesunden Meerschweinchen findet man keine Kolibakterien, nur vereinzelt in Darmpassagen, die jedoch mit dem Futter aufgenommen wurden und nach kurzer Zeit wieder ausgeschieden werden.
Auch bei der Synthese nicht essentieller Vitamine haben die Darmbakterien eine große Bedeutung. Das spiegelt sich vor allem im Fressen des Blinddarmkotes wieder, durch den sich Meerschweinchen ihren Bedarf an den Vitaminen des B-Komplexes und des Vitamin K decken.
Das Fressen des besonders vitamin- und eiweißreichen Blinddarmkotes nennt man auch Zökotrophie. Erst durch die Aufnahme des Blinddarmkotes können Meerschweinchen die darin enthaltenen Vitamine und Spurenelemente verwerten. Hindert man sie daran, kann sich ein solcher Entzug bereits nach 2-3 Wochen tödlich für die Tiere auswirken !

Der "richtige" Kot besteht aus Stoffwechselschlacken und unverdauten Ballaststoffen, die ca. 4 Stunden nach der Futteraufnahme ausgeschieden werden. Allerdings ist durch das Kotfressen die gesamte Magen-Darm-Passagezeit sehr lang. Mit Hilfe markierten Futters wies Jilge (1980) eine Gesamtpassagezeit von 66,2 +/- 3,7 Stunden nach !

Quellennachweis :

- Isenbügel, 1985 "Heimtierkrankheiten"
- Hamel, 1990 "Das Meerschweinchen, Heimtier und Patient"
- Schmidt, 1922 / 23
- Rolle und Mayer, 1954
- Großmann, 1952
- Juhr und Hiller, 1973
- Cohrs und Mitarbeiter, 1958

(c) Manuela Adler

Bild : Fuchur von der Texelranch, Besitzer : Manuela Adler