Allgemeines über Meerschweinchen

Verhalten und Sinnesleistungen

Wie bereits bekannt, sind Meerschweinchen sehr gesellige Tiere, deren Verhaltensweisen auf das Zusammenleben in der Familie bzw. im Rudel ausgerichtet sind.
Jungtiere sind unternehmenslustig, sehr neugierig, laufen und springen sehr gerne. Durch die Erforschung ihrer Umgebung werden Erfahrungen gesammelt, ihre körperlichen Fähigkeiten und Sinnesleistungen trainiert. Sehr schnell lernen sie bestimmte Töne, Geräusche oder Rufe zu unterscheiden und auf sie zu reagieren.

Da Meerschweinchen Nestflüchter sind, d.h. sie kommen vollkommen entwickelt auf die Welt und können 1-2 Std. nach der Geburt bereits fressen und laufen, brauchen sie keine Brutpflege und haben daher nur eine sehr lose Bindung zur Mutter. Diese Bindung bezieht sich lediglich auf das Säugen des Nachwuchses.

In einem Rudel mit mehreren Müttern wird kein Unterschied zwischen eigenen und fremden Jungen gemacht. Sind viele Jungen in einem Wurf, so suchen sich die "überzähligen" Babys eine Amme, die sie ohne Umstände adoptiert. Diese Adoptivkinder halten sich in den ersten Tagen immer in der Nähe ihrer Amme auf oder folgen ihr, um in regelmäßigen Abständen gesäugt zu werden. Ebenso machen es ihre Geschwister bei der richtigen Mutter.
Während des Säugens, das in einer Art Hockstellung vor sich geht, beleckt die Mutter oder Amme die säugenden Jungtiere an den Genitalien. Der Säugevorgang dauert selten länger als 10 Min., dann überläßt die Mutter / Amme die Jungen wieder sich selbst. Quiekt jedoch eines der Jungen, so eilt die Mutter / Amme sofort hinzu, um eine evtl. drohende Gefahr abzuwenden.
Nach einigen Tagen schon laufen die Jungen jedem Meerschweinchen im Gänsemarsch hinterher, egal, ob Männchen oder Weibchen. Diesen Gänsemarsch kennt man von den Wildmeerschweinchen, die diesen besonders auf ungedeckten Wegstrecken einhalten und der zu den typischen Trampelpfaden führt.

Der Zusammenhalt zwischen Wurfgeschwistern und Altersgenossen ist fester als der zwischen Mutter und Kind. Schon während der Säugephase bilden Jungböcke eine lockere Rangordnung aus. Mit ca. 2 Wochen fangen die Jungböckchen an zu balzen, zuerst in der Nähe ihrer Mutter / Amme, dann werden jedoch alle vorhandenen Weibchen angebalzt. Sie balzen sich jedoch auch untereinander an, wobei die Hinterbeine in schneller Folge angezogen und wieder belastet werden und so der Hinterkörper in schaukelnde Bewegung gerät. Ab dem 3. Monat kommen dann noch imponierende und drohende Momente hinzu : die Böckchen strecken sich in die Höhe, der Gang wird steif, die Bewegungen betont, die Fellhaare stellen sich auf und der Hinterkörper wird dem Partner zugedreht. Kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Jungböcken, so handelt es sich zu Anfangs lediglich um Boxen mit heftigem Stoßen der Nase gegen den Partner. Dies geschieht meistens von vorn, selten von hinten.

Ab dem 4. Monat geht das Stoßen in Jagen über, das unterlegene Tier wird verfolgt. Wird das verfolgte Tier eingeholt, so stößt der Jagende seine Schnauze in das Hinterteil des anderen. Da dadurch im Fell haarlose, mit Blut verschmierte Stellen entstehen können, ist dieses Stoßen wahrscheinlich mit gleichzeitigem Zuschnappen verbunden.
Streiten sich junge Weibchen, so geschieht dies weitaus heftiger als ein Streit zwischen jungen Böcken.
Gegenüber Weibchen sind erwachsene Böcke sehr friedfertig. Nur selten kann man das sog. Zähnewetzen bei Männchen gegen boxende oder brünstige Weibchen beobachten.
Dieses Zähnewetzen ist bei beiden Geschlechtern ein Ausdruck starker Erregung oder gehemmter Aggression.
Bei hochbrünstigen Weibchen wetzt ein Bock direkt nach der Paarung, wenn noch andere Böcke im Rudel sind. Das Wetzen ist jedoch auch dann zu hören, wenn ein rangniedriges Männchen ein Weibchen deckt. Jedoch kommt es erst dann zu Feindseligkeiten, wenn der rangniedrigere Bock vom Weibchen abläßt. Man vermutet daher, daß das brünstige Weibchen, solange es gedeckt wird, die Aggressivität des ranghöheren Männchens hemmt.

Gedeckt werden nur hochbrünstige Weibchen, in deren Nähe sich das Alpha-Männchen unentwegt aufhält. Er deckt sie mehrmals und versucht ständig, die anderen Böcke von ihr abzuhalten. Damit ein hochbrünstiges Weibchen tragend wird, muß es mehrmals gedeckt werden, daher zeigt es sich nach der 1. Paarung bis zu 4 Std. deckbereit.
Während die Böcke beim Deckakt häufig lediglich purren, pfeifen die Weibchen oft sehr laut.

Bereits bei der ersten Brunst, die mit 3-4 Wochen eintritt, können junge Weibchen erfolgreich gedeckt werden. Sie werden schon 2 Tage vor der Hochbrunst von den Männchen durch Balzen und Aufspringen belästigt. Im Gegensatz zu den erwachsenen Weibchen werden die jungen Weibchen sehr oft und intensiv genital berochen, was neben der vermehrten Balzerei ein sicheres Zeichen für die nahende Brunst gewertet werden kann.
Ein fremdes Weibchen hingegen wird zuerst genital berochen, schließlich angebalzt und häufig auch besprungen.

Außerhalb der Hochbrunst fühlen sich erwachsene Weibchen durch die Böcke häufig belästigt. Sie wehren sie dann folgendermaßen ab : Schnauzeheben, Fiepen, Abwehrharnen, Ausschlagen und Boxen. Jedoch bedroht oder wetzt ein Weibchen nie gegen ein Männchen, noch jagt sie es.
Häufig ist das Schnauzeheben mit einer gegenseitigen Geruchskontrolle verbunden : Weibchen und Männchen stehen sich mit erhobener Vorderhand gegenüber und beschnuppern sich längere Zeit mit leicht geöffnetem Mäulchen. Fremde Männchen werden dabei besonders intensiv beschnuppert, beginnend in der Genital-Region und dehnt sich, sofern das Männchen nicht zu balzen anfängt, über den ganzen Körper aus. Dabei steckt das Weibchen sein Näschen tief in das Fell des Bockes.

Quellennachweis :

- Reinhardt, 1970
- Hamel, 1990 "Das Meerschweinchen, Heimtier und Patient"

(c) Manuela Adler